Schwerpunkte

Kunstrückgabe

Geschichte und Grundlagen

Nach 1945 fanden Rückgaben von Kunstwerken nach den damals geltenden Rückstellungsgesetzen (vor allem nach den ersten drei Rückstellungsgesetzen, BGBl 156/1946, BGBl 53/1947, BGBl 54/1947) (Rechtsgrundlagen) statt. Restituiert wurden – unter bestimmten Voraussetzungen – jene Kunstobjekte, die von NS-Verfolgten bzw. deren Nachkommen beansprucht wurden und deren Verbleib bekannt war. Von sich aus ergriffen Museen oder das für die Kunstrückgabe nach 1945 zuständige Bundesdenkmalamt nur selten entsprechende Maßnahmen. Im Zuge der Rückgaben geschah es zudem, dass wiederum Mechanismen zum Nachteil der Betroffenen zur Anwendung kamen, wie beispielsweise die Bezugnahme auf das so genannte Ausfuhrverbotsgesetz (StGBl 90/1918, BGBl 80/1923) (Rechtsgrundlagen). Einen weiteren Problembereich innerhalb der Rückstellungsmaßnahmen stellten vermeintlich „gutgläubige Erwerbungen“ über den Kunsthandel in der NS-Zeit dar. Gemäß den Bestimmungen des § 4 im 3. Rückstellungsgesetz (Rechtsgrundlagen) waren die ErwerberInnen bzw. „AriseurInnen“ zur Rückgabe nicht verpflichtet.

Mit dem Ablauf der Geltungsfristen der Rückstellungsgesetze bzw. mit der Einrichtung der Sammelstellen im Jahr 1957 (BGBl 73/1957) (Rechtsgrundlagen) – basierend auf den Bestimmungen des Österreichischen Staatsvertrages von 1955 – fand das Thema Kunstrückgabe in Österreich schließlich sein vorläufiges Ende.

Anfang 1998 wurden im Museum of Modern Arts in New York (MOMA) zwei aus der Sammlung Leopold zur Verfügung gestellten Gemälde von Egon Schiele beschlagnahmt. Diese zwei Bilder, Bildnis Wally (aus der ehemaligen Sammlung Lea Bondi-Jaray) und Tote Stadt III (aus der ehemaligen Sammlung Fritz Grünbaum) waren während der NS-Zeit ihren EigentümerInnen entzogen worden. Diese Causa evozierte in der Folge nicht nur in Österreich, sondern auch international

Seinen ersten Höhepunkt erreichte dieser in der Washingtoner Konferenz on Holocaust-Era Assets im Dezember 1998. Damals verpflichteten sich die Teilnehmerstaaten, unter ihnen Österreich, durch die Anerkennung der so genannten Washingtoner Prinzipien u.a. zur Identifizierung und Rückstellung von entzogenen Kunstwerken. http://www.state.gov/www/regions/eur/holocaust/heacappen.pdf

Im Gefolge der Geschehnisse um die Beschlagnahme der beiden Schiele-Gemälde aus der Sammlung Leopold ernannte die damals zuständige Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, Elisabeth Gehrer, eine Kommission für Provenienzforschung. Ihr Ziel war eine systematische Klärung der Herkunft der Bestände in den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen. Noch im Dezember 1998 wurde in Österreich das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen (BGBl 1998/141) (Rechtsgrundlagen) beschlossen. Ziel des Kunstrückgabegesetzes ist es, Kunst- und Kulturgegenstände aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen, die im Zuge oder als Folge der NS–Gewaltherrschaft in das Eigentum des Bundes gelangt sind, an die ursprünglichen EigentümerInnen oder deren RechtsnachfolgerInnen zurückzugeben.

Seit 1999 erließen die Stadt Wien und die meisten Bundesländer (außer Tirol) entsprechende Rechtsgrundlagen und beauftragten ExpertInnen mit der Durchführung von Provenienzforschungen in ihren Sammlungen.

Ein Jahrzehnt später wurde bei der Novellierung des Kunstrückgabegesetzes im November 2009 (BGBl I 117/2009) den Erkenntnissen aus der 10-jährigen Praxis der Kunstrückgabe Rechnung getragen und dieses entsprechend präzisiert und modifiziert.

Mit den darin gesetzten Maßnahmen nimmt die Republik Österreich im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle ein, wenngleich nach wie vor Problembereiche bestehen: Zwar war die Leopold Museum Privatstiftung mit der Beschlagnahmung ihrer zwei Schiele-Gemälde in New York der Auslöser für das Kunstrückgabegesetz, fällt jedoch als speziell konstruierte Privatstiftung nicht unter das Gesetz. Und dies ungeachtet der Tatsache, dass die Bestände, das Museum sowie der laufende Betrieb mit Steuermitteln finanziert wurden bzw. werden. Nähere Informationen dazu finden Sie unter www.raubkunst.at.

Mehr als zehn Jahre nach der Washingtoner Konferenz on Holocaust-Era Assets fanden sich im Juni 2009 VertreterInnen aus 46 Staaten zur Prager Holocaust Era Assets Conference ein, um international verbesserte Bedingungen, unter anderem für die Kunst- und Kulturgutrückgabe, zu schaffen. Alle 46 Staaten – darunter Österreich – ratifizierten die Terezin Declaration, die allerdings keinerlei bindenden Charakter hat. Geplant ist ein European Institute for Legacy of the Shoah in Terezín, an das sich alle Staaten, Institutionen und Organisationen, die sich um die Belange von Opfern der Nazi-Diktatur kümmern, wenden können.