NS-VermÖgensentzug
Unmittelbar mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich setzte die systematische Entrechtung und Verfolgung der österreichischen Jüdinnen und Juden ein. Flucht, Vertreibung, Deportation und Ermordung der Jüdinnen und Juden waren eng mit der Beraubung durch die NS-Behörden unter Teilnahme der Bevölkerung verknüpft. Der systematische Vermögensentzug wurde durch die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 eingeleitet. Damit wurden alle Jüdinnen und Juden, die mehr als 5000 Reichsmark an Vermögen besaßen, gezwungen, ihr gesamtes Hab und Gut bei der NS-Vermögensverkehrsstelle zu deklarieren sowie in der Folge jede Vermögensveränderung zu melden.
Durch unzählige weitere Verordnungen und Gesetze verschafften sich die NS-Behörden im Laufe der Zeit Zugriff auf sämtliche Vermögenswerte der österreichischen Jüdinnen und Juden und entzogen ihnen bereits vor ihrer Vertreibung und Deportation jegliche Existenzgrundlage.
Fokus 1: Entzug von Kunstgegenständen
Hinter den Begrifflichkeiten „Kunstraub“ bzw. „Raubkunst“ stecken zahlreiche Mechanismen des NS-Vermögensentzugs. Die Enteignung von Kunst- und Kulturobjekten wurde durch Verordnungen und NS-Gesetze administriert und über eine Reihe von Organisationen und Einrichtungen vollzogen: Sie wurden von der Gestapo beschlagnahmt, von der Zentralstelle für Denkmalschutz/Institut für Denkmalpflege für die Ausfuhr gesperrt, von den Finanzbehörden eingezogen oder vom Wiener Magistrat sichergestellt. Zum anderen waren Jüdinnen und Juden dazu gezwungen, ihre Besitztümer zu Schleuderpreisen auf dem Kunstmarkt zu veräußern.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Wege des Entzugs von Kunstgegenständen und wegen der Vielzahl an involvierten AkteurInnen ist es oftmals schwierig, die Spuren der entzogenen Gegenstände bis heute nachzuzeichnen. Die Forschungen nach Herkunft und Verbleib von Kunst- und Kulturgegenständen führt u.a. die 1998 eingerichtete Kommission für Provenienzforschung durch.
Fokus 2: Entzug von Liegenschaften
Das NS-Regime setzte unterschiedliche Instrumentarien ein, um Liegenschaftsvermögen zu entziehen. Diese Entziehungen sind nicht immer durch einen Hoheitsakt (Beschlagnahme, Vermögenseinziehung, Vermögensverfall) erfolgt, sondern wurden in den meisten Fällen durch Kaufverträge getarnt, manchmal auch durch Zwangsversteigerungen, Schenkungen und Erbschaft. Viele EigentümerInnen wurden durch diskriminierende NS-Steuern dazu gezwungen, ihre Liegenschaften weit unter dem Wert zu verkaufen.
Da die EigentümerInnen von Liegenschaften in Österreich im Grundbuch vermerkt sind, lassen sich Vermögensentzug in der NS-Zeit, Eigentumsübergänge sowie Rückstellungen nach 1945 in den meisten Fällen konkret nachvollziehen. In den ersten Nachkriegsjahren hatten NS-Verfolgte oder Nachkommen von NS-Opfern die Möglichkeit, in Österreich gemäß den Rückstellungsgesetzen (Rechtsgrundlagen) Anträge auf Restitution der entzogenen Liegenschaft(en) zu stellen.
Nach Abschluss des Staatsvertrages (1955) wurden in Österreich zwei Sammelstellen für „erbloses“,
das heißt so genanntes unbeanspruchtes Vermögen, eingerichtet. Die Sammelstellen stellten Rückstellungsanträge für bis dahin unbeanspruchte Liegenschaften, weshalb nur ein kleiner Teil der entzogenen Liegenschaften nach 1945 tatsächlich von keiner Rückstellungs- bzw. Vergleichsregelung betroffen war.
Die Rückstellungsverfahren wurden mit Bescheid, Erkenntnis oder in Form von Vergleichen zwischen AntragstellerInnen (RückstellungswerberInnen) und AntragsgegnerInnen abgeschlossen. Die Forschungen der Historikerkommission der Republik Österreich haben gezeigt, dass die so getroffenen Regelungen häufig zum Nachteil der ehemals verfolgten RückstellungswerberInnen waren. In diesem Zusammenhang sind die Entschädigungs- und Restitutionsverhandlungen in Washington im Jänner 2001 zu sehen: Durch das Washingtoner Abkommen (Rechtsgrundlagen) wurde die Möglichkeit geschaffen, unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien Anträge auf Naturalrestitution von jenen Liegenschaften und Überbauten (Superädifikate) in Österreich zu stellen, die zwischen dem 12. März 1938 und 9. Mai 1945 entzogen worden sind und sich am Stichtag 17. Jänner 2001 im öffentlichen Eigentum befunden haben. Auch Jüdische Gemeinschaftsorganisationen können unter denselben Voraussetzungen die Naturalrestitution von beweglichen körperlichen Sachen (insbesondere kulturelle oder religiöse Gegenstände) beantragen. Über Anträge auf Naturalrestitution entscheidet die unabhängige Schiedsinstanz für Naturalrestitution, die durch das Entschädigungsfondsgesetz (Rechtsgrundlagen) eingerichtet worden ist.